Im Saarkohlenwald zwitschert, zirpt und raschelt es allerorten und auch auf den kargen Bergehalden tummelt sich Leben. Unsere ehemaligen Industrieflächen sind Rückzugsorte für seltene Tiere und Pflanzen geworden und diese Entwicklung wird zurzeit aktiv gefördert.
Zur Zeit der Bergmannsbauern reihten sich in unserer Region Nutzwiesen, Nutzwälder, Getreidefelder, Kartoffeläcker, Streuobstwiesen, Gemüsegärten und weitere Wirtschaftsflächen dicht aneinander. Dabei wurde an einem Tag hier geerntet, gemäht oder die Geiß grasen gelassen, am nächsten Tag dort. Kurz gesagt: Der Mensch nutzte seine Umgebung auf vielfältigste Weise. Dabei entstand ein Mosaik verschiedenster Flächen, das Tieren und Pflanzen mit unterschiedlichen Ansprüchen Lebensraum bot. Heute tendiert unsere Landschaft hauptsächlich zu zwei Zuständen: Landwirtschaftlich intensiv genutzte Fläche und ungenutzte, zuwuchernde Fläche. Letztere hat zwar ihren Wert, bietet jedoch nur bestimmten Arten Lebensraum. Keine Chance haben hier beispielsweise der Steinkauz, der als Bodenjäger Flächen mit niedriger Vegetation benötigt bodennahe Pflanzen, denen in üppigem Grün das Licht geraubt wird.
Dabei hat man im Zuge eines weiteren großen Wandels – dem Brachfallen einst industriell genutzter Flächen – bemerkt, dass ausgerechnet diese Flächen Rückzugsorte für viele seltene Arten geworden sind. Denn beispielsweise bieten Bergehalden oder Kiesgruben karge Flächen und Pfützen, Absinkweiher flache, röhrichtbewachsene Ufer. Diese Ansätze werden genutzt, um das „Mosaik“ wieder aufzubauen.
Das saarländische Umweltministerium, Städte und Gemeinden sowie Institutionen und Organisationen treiben zurzeit verschiedene Maßnahmen voran. Ein Großprojekt mit deutschlandweitem Pioniercharakter stellt der Zweckverband Landschaft der Industriekultur (LIK) Nord dar, zu dem sich 2009 Neunkirchen, Friedrichsthal, Illingen, Merchweiler, Schiffweiler, Quierschied, der Landkreis Neunkirchen sowie die Industriekultur Saar GmbH zusammengeschlossen haben (gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums und des saarländischen Umweltministeriums). Der Verband ist das erste vom Bund geförderte Naturschutzgroßprojekt in urban-industriellem Raum. Denn während der Naturschutz sich lange Zeit auf Moore, Küsten, Wälder und unbesiedelte Landstriche konzentrierte, gewinnt heute der städtische Raum an Bedeutung.
Uli Heintz, Geschäftsführer der LIK Nord und Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Saar weiß, warum: „Durch das Schwinden der Mosaik-Landschaft hat sich der Lebensraum auf dem Land gravierender vereinheitlicht als in der Stadt.“
Im Focus der LIK Nord stehen vom Bergbau sowie von den Bergmannsfamilien geprägten Flächen. Herzstück sind dabei vier „Landschaftslabore“, die zusammen etwa 30 Prozent der LIK-Gesamtfläche umfassen. Hier werden verschiedene Ziele verfolgt, unter anderem will man: Wälder weitgehend sich selbst überlassen, Lebens-, Rast- und Brutplätze für Vögel schaffen, Wiesen durch Weidetiere offen halten, moderate Landschaftsnutzungen (etwa in Form von Streuobstwiesen) stärken sowie karge Flächen und Kleingewässer für Pionierarten bereitstellen.
Ein weiteres Großprojekt betrifft den Saarkohlenwald, der sich über rund 6000 Hektar im Gebiet des Regionalverbandes Saarbrücken erstreckt. Wie Rudolf Krumm von der RAG, der Rechtsnachfolgerin der Saarbergwerke erklärt, ist ein solch großes Waldgebiet mitten im Verdichtungsraum einzigartig in ganz Deutschland. Dass es in dieser Größe erhalten blieb, hat historische Gründe, es diente als fürstliches Jagdrevier.
In den 2000er Jahren dann hat das saarländische Umweltministerium mit Partnern das Projekt „Regionalpark Saar“ auf den Weg gebracht. Das Ziel: Der Wald soll nicht brach liegende, grüne Peripherie sein, sondern Tieren und Pflanzen Lebensraum und Menschen einen Ort für Freizeit und Erholung bieten. Dabei bildet der Urwald vor den Toren der Stadt den Kern des Saarkohlenwaldes, die Halden seinen Begrenzungsring. Zurzeit werden die Halden für Fußgänger erschlossen und in einen großen Haldenrundweg eingebunden: große Halden, die eine spektakuläre Aussicht bieten, aber auch kleine wie die bizarre Spitzkegelhalde im Steinbachtal bei Von der Heydt, im Volksmund „Kleiner Fujiyama“ genannt. Auch andere Zeugnisse der Industriekultur wie Absinkweiher und Gebäude werden mit dem Weg vernetzt.
Auch beim Brachfallen kleinerer Industrienutzflächen wird heute vielerorts deren Potenzial für die Natur gefördert. Dabei sind im Saarland vor allem Beweidungsprojekte beispielgebend: „Die angelegten Biotope und Beweidungsprojekte spiegeln die vielfältige Landschaftskulisse des Saarlandes wieder oder schaffen neue Landschaftsbilder“, so der Vorsitzende der Naturlandstiftung (NLS) Saar, Umweltminister Reinhold Jost. Ein entsprechendes Projekt findet sich beispielsweise in der Gemeinde Illingen, in einer ehemaligen Kiesgrube. Diese hatte während des Abbaus offene Landschaften und Pfützen geboten, war danach jedoch zugewuchert. Deshalb hat ein Team um Bürgermeister Dr. Armin König sowie Doris Mittermüller und Ludger Wolf von der Verwaltung zusammen mit der Flächeneigentümerin NLS ein Beweidungsprojekt initiiert und dazu zahlreiche Partner an Bord geholt. Die Kiesgrube wurde gerodet, ein Stall gebaut, Koppeln eingerichtet und das Areal an einen Hobbyzüchter verpachtet. Heute halten Ziegen, Schafe und Esel das Areal offen.
Dieser Artikel wurde uns von » Sonah zur Verfügung gestellt.