Wer versteht’s noch? „Scheese“, „Hówenzele“, „Fisematente/ Fizzemadenzja“

Es gibt Wörter, die gehörten in unserer Region einst zum alltäglichen Sprachgebrauch, sind inzwischen aber immer seltener zu hören, teilweise sogar fast vergessen. Wir greifen solche selten gewordenen Begriffe der saarländischen Mundart(en) auf und fragen, was sie eigentlich bedeuten und woher sie stammen.

„Heit gehn mir mo scheese!“

Will man sich einen schönen Tag machen, dann geht man im Saarland ganz gerne mal „scheese“. Und trifft man dabei junge Eltern, dann wirft man natürlich einen Blick in die „Schees“ oder das „Scheesewähnche“. Doch warum benutzen wir hierzulande den Begriff „scheese/ Schees“ und dann auch noch mit solch unterschiedlichen Bedeutungen wie „bummeln gehen“ und „Kinderwagen“?

Die Antwort finden wir, wie so oft, bei unseren französischen Nachbarn: Dort nennt man einen gut gepolsterten Stuhl oder einen Sessel „chaise“. Den Begriff übertrug man auf Pferdewagen, die eine ebenso gut gepolsterte, sehr bequeme Sitzfläche aufwiesen. Die „Chaise“, bei uns „Schees“ wurde also zum Wagen selbst, wobei ausdrücklich der komfortable Wagen für angenehme Fahrten gemeint war, im Gegensatz zum Arbeitswagen. Wer keine Arbeitsfahrt machte, sondern eine vergnügliche Ausfahrt ohne Hetze und Verpflichtung, der ging deshalb „scheese“. Und der gut gepolsterte Kinderwagen war eine kleine „Schees“.

„Dei Bobbelche will gehòwenzelt genn!“

Kaum einer kennt es heute noch, einst aber war es Teil des Alltags: das Hòwenzele. Hówenzele konnte man vieles, beispielsweise Kinder, was bedeutete, dass man sie in liegender Haltung im Arm schaukelte. Außerdem standen mit dem Hòwenzele eine Reihe von Bräuchen in Verbindung: Bei der Flachsverarbeitung in der Brechkaul, die Frauensache war, kamen gerne junge Burschen vorbei und lästerten und neckten die Frauen. Dann packten diese die Burschen jeweils zu viert an Armen und Beinen und hòwenzelten sie. Das heißt, sie hoben sie hoch, ließen sie wieder absacken, hoben sie erneut hoch und schaukelten sie hin und her bis sie den Frauen und Mädchen einen Schnaps versprachen. Umgekehrt war es beim winterlichen Getreidedreschen in der Scheune. Das war Männersache und da kamen nun die jungen Frauen und wurden gehòwenzelt bis sie versprachen, bei der Bauersfrau einen Schnaps für die Drescher herauszuschlagen. Dabei konnte jedoch noch die Höhe der Scheune genutzt werden: Die Drescher standen auf der oberen Etage und schaukelten die Mädchen in einer Seilschlaufe, oft in Höhe von zwei oder mehr Metern über dem Boden. An dem Seil konnte man sich jedoch gut festhalten. Beide Varianten waren Bräuche des Freiens.

Der Begriff „hòwenzele“ setzt sich zusammen aus zwei Teilen: „hò-„ steht für „hoch“ und „-wenzele“ für eine Art Schaukeln. Gemeint ist also eine Tätigkeit, die „hochheben/hochhalten“ und „schaukeln“ in einem bedeutet. Im Raum Morbach sagte man übrigens „huwandele“.

„Mach kä so Fisematente/ Fizzemadenzja!“

Vermutlich hat jeder Saarländer schon mindestens einmal die Anweisung bekommen: „Heer uff mit denne Fisematente/ Fizzemadenzja!“ Natürlich weiß der Muttersprachler, dass er aufhören soll, sich mit unnötigen Arbeiten oder hochgespielten Nichtigkeiten zu beschäftigen. Doch woher kommt der Begriff?

In der Region ist eine Erklärung im Umlauf, die sich auf die französischen Soldaten der napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts bezieht. Angeblich hätten Prostituierte mit „Visitez ma tente!“ („Besuchen Sie mein Zelt!“) versucht, die Soldaten zu sich zu locken (oder umgekehrt). In Wahrheit jedoch hat der Begriff eine andere Herkunft: Im 19 Jahrhundert verstand man unter „Fisimatenten“ vor allem eine umständliche, langatmige Bearbeitung von Anträgen etc. durch Beamte – und zwar nicht nur bei uns, sondern in ganz Deutschland. Verwandte Formen tauchen schon früher auf, so im 16. Jahrhundert das „visipatent“, das eine umständlich erarbeitete Nichtigkeit beschreibt: „… Visipatent sey gar unnütz und nichtes wert“. Und schon 1499 heißt es in der Chronik der Stadt Köln: „… it ist ein Viserunge ind ein Visiment…“, womit eine unwichtige Erfindung, um die unnötiges Aufhebens gemacht wird, gemeint ist. Unsere Fisematente/ Fizzemadenja gehen also zurück auf „Visiment“, „Visament“ und ähnliche Begriffe, die überbewertete Nichtigkeiten bezeichnen.

 

„Wer versteht’s noch“ wird präsentiert vom Sonah Magazin (www.sonah-magazin.de) und dem Volkskundler Gunter Altenkirch (Museum für dörfliche Alltagskultur & Museums des Saarländischen Aberglaubens in Rubenheim; www.museum-alltagskultur.de).

 


Dieser Artikel wurde uns von » Sonah zur Verfügung gestellt.