Ein Tag im Jahre 1428, im lothringischen Dörfchen Domrémy: Ein 16-jähriges Mädchen wartet nervös auf den Mann ihrer Cousine, der sie heute abholen soll. Wird die Sache klappen? Jeanne ist ein Mensch, der nichts dem Zufall überlässt: Sie hat alles genau geplant und den perfekten Moment abgewartet. Und Durand kommt. In einem Gerichtsprozess wird er später einmal erklären: „Ich ging selbst, um Jeanne im Hause ihres Vaters abzuholen und brachte sie in mein Haus. Ihren Eltern sagte ich, sie solle ihrer Cousine helfen, die gerade im Wochenbett lag.“
Burey heißt der Ort, in den Jeanne mit Durand ging, denn hier war sie ihrem vorläufigen Ziel, Vaucouleurs, näher. Von dort aus sollten die beiden eine weite gemeinsame Reise antreten, mit großen Ambitionen: Dem „rechtmäßigen“ König musste auf den Thron verholfen und Frankreich von den Engländern befreit werden. Durand war der erste Anhänger der berühmten Jeanne d’Arc, auch Johanna vor Orleans genannt – einer jungen Frau aus unserer Region, die gegen alle Konventionen ihrer Zeit verstieß und halb Europa auf den Kopf stellte.
Ein Tag im Jahre 2017 in Domrémy, das sich heute Domrémy-La-Pucelle (nach der „pucelle“, der „Jungfrau“ Jeanne) nennt und 95 Autominuten von der saarländischen Grenze entfernt liegt: Wir stehen auf genau dem Fleckchen Erde, das Jeanne vor rund 600 Jahren verlassen hat. Und eigentlich kommt es ganz unscheinbar daher: Hieße die kleine Gaststätte am Rand des 120-Einwohner-Ortes nicht „Au Pays de Jeanne“, auf den ersten Blick würde nichts darauf hindeuten, dass hier ein ganz bedeutendes Stück Geschichte seinen Anfang nahm.
Doch es gibt sie noch, Spuren der Jeanne d‘Arc: An einem Zaun am Straßenrand weist ein Schild darauf hin, dass direkt links vor uns ihr Geburtshaus steht. Es wirkt windschief, irgendwie kurios und eindeutig unserer Zeit entrückt. Im 15. Jahrhundert jedoch war es ein Bau, wie er in der Gegend üblich war – mit vier Zimmern und einem Schrägdach. Ein Zuhause für einfache, aber ganz gut situierte Leute.
Gleich daneben liegt die Kirche Saint Rémy, Jeannes Taufkirche, die jedoch im Laufe der Zeit einige Umbauten erfahren hat. Vor dem Portal, das man heute betritt, befand sich zu Jeannes Zeiten das Chor-Rund. Sie hatte die Kirche also einst an der gegenüberliegenden Seite betreten. Das Weihwasserbecken aus Kalkstein, auf das man sogleich stößt, dürfte sie benutzt haben, denn es stammt aus dem 13. Jahrhundert. Heute ist es glatt poliert, von den Berührungen der Pilger. Die Verehrung der Franzosen für ihre Nationalheldin und Schutzpatronin war vor allem zu Kriegszeiten sehr groß – davon zeugen auch kleine Wandtafeln zu ihren Ehren.
In der Kirche haben sich noch weitere Objekte aus Jeannes Zeit erhalten: das Becken, an dem sie getauft wurde, und die Statuen der Heiligen Margarethe und Maria von Bermont, vor der sie die Dorfbewohner oft beten sahen.
Die Notlage des Königs ebnete Jeanne den Weg, außerdem eine Legende, nach der eine Jungfrau Frankreich aus großem Leid erretten sollte. Sie schaffte es, den König davon zu überzeugen, dass sie diese Jungfrau sei. Als Feldherrin zog sie seinen Truppen voraus und erkämpfte tatsächlich die Wende: Sie befreite Orléans von der Belagerung und in der Folge konnten die Engländer aus allen Burgen südlich der Loire vertrieben werden. 1429 begleitete Jeanne Karl dann zu seiner offiziellen Krönung in Reims. Sie war auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.
Nun wollte der König mit den Engländern Frieden schließen, Jeanne aber pochte kompromisslos auf deren gänzliche Vertreibung. Dadurch verschlechterte sich das Verhältnis zwischen beiden, schließlich aber erhielt Jeanne doch Truppen, um auch Paris zu befreien. Doch sie scheiterte – und fiel bald darauf den Burgundern in die Hände, die sie an die Engländer übergaben. Diese ließen ihr von der pro-englisch eingestellten, katholischen Gerichtsbarkeit in Rouen wegen Aberglaubens, Irrlehren und anderer Verbrechen den Prozess machen. Nach drei langen Monaten schwor Jeanne öffentlich ihrem „Irrglauben“ ab und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Bald darauf jedoch widerrief sie ihr Geständnis und wurde deshalb 1431 auf dem Marktplatz von Rouen verbrannt – angeblich zumindest. Zweifel daran werden bis heute immer wieder laut.
Dieser Artikel wurde uns von » Sonah zur Verfügung gestellt.